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Amt Stuttgart

Stuttgart - Erweiterungsbau der Württembergischen Landesbibliothek

Ausgangslage

Die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart (WLB) entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten zum zentralen Lernort der Region. Die Sammlung der WLB umfasst über sechs Millionen Medien und deckt neben der Forschung und Lehre auch die berufliche und allgemeine Bildung ab. Mit rund 1.200 täglichen Benutzer*innen bei 240 zur Verfügung stehenden Lernplätzen sowie einem jährlichen Zugang von ca. 70.000 Medieneinheiten waren die Grenzen der räumlichen Kapazität erreicht. Gleichzeitig veränderten sich die Anforderungen an einen modernen Bibliotheksbetrieb im Rahmen des medialen und digitalen Wandels.

Mit dem neuen Erweiterungsbau wurde durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg der notwendige Raum geschaffen, um von einer reinen Magazinbibliothek zu einer zeitgemäßen Freihandbibliothek umzustellen und für die Benutzer*innen zu optimieren.

Württembergische Landesbibliothek Innenansicht

Städtebau

Der Erweiterungsbau steht selbstbewusst direkt an der Stuttgarter Kulturmeile und gibt der WLB ein Gesicht Richtung Innenstadt. Der Neubau komplettiert das aus kubischen Baukörpern bestehende, denkmalgeschützte Ensemble der Landesbibliothek aus den 1970er Jahren so geschickt, dass durch das Zusammenwirken von Alt und Neu ein attraktiver neuer „Bibliotheksplatz“ entsteht. Die Mitte des Platzes bildet der markante Kubus des alten Lesesaals, der in der Achse des Neuen Schlosses liegt, so dass über die Kulturmeile hinweg ein städtebaulicher Bezug geschaffen wird. Vom neuen Platz aus führt eine großzügige Treppenanlage hinunter zur Konrad-Adenauer-Straße. Der breite Gehweg mit doppelter Baumreihe bildet künftig eine durchgehende Verbindung für Fußgänger und Radfahrer vom Charlottenplatz bis zur Staatsgalerie, die den Stadtraum entlang der Kulturmeile aus einer neuen Perspektive erlebbar macht und für die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts an dieser Stelle richtungsweisend sein wird.

Entwurf und Gestaltung

Der Erweiterungsbau wurde als Stahlbetonkonstruktion an der Stelle der bisherigen Tiefgarage auf einer Bohrpfahlgründung errichtet. Die ursprünglich angedachte Überbauung der vorhandenen Tiefgarage ließ sich konstruktiv und wirtschaftlich nicht umsetzen. Im unterirdischen Teil des neuen Gebäudes sind neben einer neuen, kleineren Tiefgarage zusätzliche Büchermagazine und Technikräume untergebracht.

Das Gebäude kann sowohl über den Haupteingang am neuen Bibliotheksplatz als auch vom Straßenniveau aus betreten werden. An der neu geschaffenen Fußgängerverbindung liegt die Cafeteria, die unabhängig von den Öffnungszeiten der Bibliothek betrieben werden kann. Der  Haupteingang auf Ebene des Bibliotheksplatzes führt ins Foyer mit dem Servicebereich, dem Vortragssaal und dem Ausstellungsraum. Eine offene und großzügige Treppenanlage führt nach oben in den Freihandbereich, der insgesamt vier Stockwerke und drei Viertel des oberirdischen Bauvolumens umfasst. Hier stehen den Nutzer*innen der WLB zusätzliche Lesesäle mit 390 vernetzten Arbeitsplätzen zur Verfügung. Im ersten Obergeschoss ist der Erweiterungsbau über einen Steg mit dem Bestandsgebäude verbunden.

Für die äußere Gestaltung des Erweiterungsbaus wurden die Materialien des Altbaus aufgenommen und neu interpretiert. An der Sichtbetonfassade des Neubaus findet sich die von einer feinen Bretterschalung geprägte Fassade des Altbaus wieder, die helle Einfärbung des Betons setzt sich jedoch bewusst vom traditionellen Grau ab und verleiht dem Erweiterungsbau einen freundlichen und einladenden Charakter. Im zweiten und dritten Obergeschoss ist die Sichtbetonfassade durch langgestreckte Öffnungen mit eingeschobenen, im 45-Grad-Winkel angeordneten Leseplätzen unterbrochen. Die Kupferverkleidung der Erker nimmt Bezug auf die Fassade des großen Lesesaals im Bestand.

Im Innenraum setzt sich das Spiel zwischen alter und neuer Architektursprache konsequent fort. Die weißen, glatten Oberflächen der Decken und Wände im Erweiterungsbau bilden einen bewussten Kontrast zu den rauen und lebendigen Sichtbetonoberflächen im Altbau. Der hellgrüne Teppichboden wie auch die weißen Möbel erzeugen eine helle, heitere Atmosphäre.

Württembergische Landesbibliothek Ausschnitt der Fassade

Besonderheiten in Technik und Nachhaltigkeit

Die moderne Technik wurde für die Benutzer*innen möglichst unsichtbar ins Gebäude integriert. Die digital gesteuerte Buchförderanlage transportiert Bücher und Medien ohne die bisher nötige manuelle Hilfe durch die Mitarbeiter*innen der Bibliothek. Dank des innovativen Energiekonzepts kann nahezu der gesamte Bedarf an Heiz- und Kühlenergie über Geothermie und Wärmerückgewinnung aus dem Abwassernetz gedeckt werden. Auch bei der Planung der Tiefgarage wurde auf Nachhaltigkeit Wert gelegt: Im Hinblick auf eine autofreie Stadt der Zukunft kann diese zum Büchermagazin umgenutzt werden.

Nach Fertigstellung des Erweiterungsbaus folgt seit 2022 die Sanierung des Bestandsgebäudes der WLB, das in zwei Bauabschnitten für einen modernen Bibliotheks- und Gebäudebetrieb ertüchtigt wird.

Württembergische Landesbibliothek Innenansicht Fensterfront

Bauherr

Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

Nutzer

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (WLB)

Entwurf

Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart

Gesamtbaukosten

60 Millionen Euro

Bauzeit

03/2015 – 10/2020

Auszeichnungen

Hugo Häring Auszeichnung 2020

Architekturpreis Beton 2020 

Beispielhaftes Bauen 2023 (Architektenkammer Baden-Württemberg)