Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim
Stuttgart-Vaihingen - Neubau Zentrum für Angewandte Quantentechnologie
Anlass
Das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZAQuant) der Universität Stuttgart bildet einen Meilenstein in der Forschungsinfrastruktur des Landes. In dem internationalen Leuchtturmprojekt wird mit technisch höchst anspruchsvoll ausgestatteten Forschungsräumen an der Entwicklung neuartiger nano-photonischer Quantensensoren geforscht. International einmalig ist der interdisziplinäre Forschungsansatz, der im ZAQuant verfolgt und durch den Neubau von Vermögen und Bau Baden-Württemberg ermöglicht wird. Hier werden Grundlagenforschung und Forschung an Anwendungsoptionen miteinander verzahnt. Expert*innen für Quantenoptik und Photonik arbeiten mit Ingenieur*innen zusammen, um integrierte Quantensensoren für elektrische und magnetische Felder, Druck, Kraft, Gravitation und Temperaturen zu entwickeln.
Städtebau
Der Forschungsbau mit drei Geschossen und einem unterirdischen Technikgeschoss liegt im südlichen Teil des Universitätscampus Stuttgart-Vaihingen. Der klar konturierte Baukörper fügt sich in die ihn umgebende heterogene Bebauung elegant ein. Er schließt die letzte Lücke im Norden der sogenannten ‚Grünen Mitte‘ und verleiht ihr damit eine städtebauliche Fassung.
Entwurf, Konstruktion und Gestaltung
Der Neubau passt sich dem vorhandenen Geländesprung geschickt an. Während der Baukörper mit seinem Eingangsbereich Richtung Norden drei Geschosse in die Höhe ragt, stellt er sich im Süden in Richtung der Grünen Mitte nur noch zweigeschossig dar. Die Herausforderung der Bauaufgabe, in einem Gebäude schwingungserzeugende und äußerst schwingungsempfindliche Bereiche unter einem Dach unterzubringen, bestimmte den konzeptionellen Ansatz. Das Gebäude wurde entsprechend der Anforderungen in drei Abschnitte unterteilt, den Kopfbau mit Reinraum, den schwingungsempfindlichen Laborbau und den Büro- und Seminarbau. Die drei Bauteile sind durchgehend über ihre gesamte Gebäudehöhe durch Bauteilfugen konstruktiv voneinander getrennt.
Der Blick auf das Gebäude lässt die vertikale Dreigliederung nicht erahnen – im Gegenteil, die Verkleidung der Geschossdecken, mit umlaufenden Bändern aus glattem Aluminiumverbundtafeln, erzeugt eine horizontale Gliederung, die die Fassade zu einer Einheit zusammenbindet. Bei der Hülle in den Geschossebenen wechseln sich anthrazitfarbene, vertikal strukturierte Aluminiumelemente mit bodentiefen Glasflächen ab. Besucher*innen betreten das Gebäude durch den an der rechten Gebäudeecke angeordneten Eingang. Die linksseitig im Erdgeschoss verglaste Gebäudeecke erlaubt als „Schaufenster in die Physik“ von außen Einblicke in den Reinraum - eine Idee, die sich im Foyer fortsetzt. Dort zieht die raumhohe Glastrennwand zum Reinraum die Blicke auf sich. Mit dem für Forschungslabore charakteristischen Geldblicht wird, zusätzlich zur filternden Funktion, ein effektvoller Auftakt in die Welt der Hochpräzision erzeugt.
Im Inneren des Neubaus befinden sich, optimal vor der Außenwelt geschützt, die Herzstücke der Forschung: die vier Hochpräzisionslabore. Sie reihen sich als freistehende, zehn Meter hohe Betonkuben in der zentralen Halle hintereinander auf und erstrecken sich über drei Geschosse. Rechts und links des Flurs, der den Kern ringförmig umläuft, befinden sich die symmetrisch an den Außenflächen angeordneten Labor- und Büroflächen. Die Hallendecke über den Kuben der Hochpräzisionslabore ist als begrüntes Dach ausgebildet. Im obersten Geschoß entsteht dadurch ein innenliegender Gartenhof mit umlaufender Verglasung zu den Fluren, der zu Kommunikation und Erholung einlädt. Durch die bodentiefen Fenster, die Sichtbeton-Oberflächen und die Beschränkung der Materialfarben auf Weiß und Schwarz entsteht im Gebäudeinneren eine angenehme, helle Atmosphäre.
Maßnahmen für störungsfreie Messungen
Sowohl die Kombination, als auch die Dichte der unterschiedlichen Experimentalflächen, die sich im ZAQuant aneinanderreihen, sind in dieser Form einzigartig. Für die Planer*innen stellten die spezifischen Anforderungen, einen völlig störungsfreien Raum für die hochsensiblen Experimente zu schaffen, eine besondere Herausforderung dar. Um die empfindlichen Messungen vor störenden Erschütterungen und elektromagnetischen Einflüssen zu schützen, wurde zur konstruktiven Abschirmung das Schalenprinzip angewendet. Hierbei wird der Versuchstisch durch den Kubus, der Kubus durch die Halle und die Halle durch die umgebenden Räume geschützt. Um die nahezu vollständige Schwingungsisolierung zu erreichen, wurden die zehn Meter hohen Laborkuben auf über 150 Tonnen schweren Betonfundamentblöcken gelagert, die millimetergenau auf pneumatisch gesteuerten Luftfedern ruhen – ähnlich dem Prinzip eines Stoßdämpfers. Da bei einem der Forschungslabore zusätzlich niederfrequente magnetische Störungen ausgeschlossen werden mussten, kam bei der Armierung dieses Betonfundaments Glasfaserverbundwerkstoff, anstelle von Stahleisen, zum Einsatz.
Das Paket der konstruktiven Maßnahmen, das aus der vollständigen Trennung der Bauteile, der Bündelung der Funktionen, dem Schalenprinzip und dem symmetrischen Grundriss besteht, trägt wesentlich dazu bei, dass die Schwingungsruhe, die für die Versuchsanforderungen im Laborbau gefordert wurde, sichergestellt werden konnte.
Kunst am Bau
Für das Forschungszentrum hat der Künstler Christoph Poetsch das Werk „Ein gleiches“ konzipiert. Die Arbeit besteht aus einer geschosshohen LED-Displaywand, die gegenüber der gelb leuchtenden Glaswand des Reinraums im Foyer aufragt, und einem Server, der im darüber liegenden Geschoss, in einer Vitrine präsentiert wird. Auf der Displaywand werden Zeichenkombinationen in einem gleichmäßigen Rhythmus überblendet, die nach einem Algorithmus aus Zeichenzahl und Zeilenschema des Gedichts „Ein gleiches“ von J. W. Goethe zufällig generiert werden. Da jede Zeichenkombination einmalig ist, bleibt in der Schwebe, ob das Gedicht bei einer Kombinationsmöglichkeit von 7,49551 × 10198 bereits angezeigt wurde. Das Konzept versteht sich als experimentelle Anlage, die Motive der Quantenmechanik aufnimmt, ohne sie jedoch strikt analog zu illustrieren.
Bauherr, Projektleitung
Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim
Nutzer
Universität Stuttgart
Entwurf/ Planung
hammeskrause architekten bda, Stuttgart
Bauleitung
Ernst²-Architekten AG, Stuttgart für hammeskrause architekten bda, Stuttgart
Bauzeit
01/2018 – 12/2020
Gesamtbaukosten
41,5 Millionen Euro
davon 17,25 Millionen Euro durch den Bund
12,125 Millionen Euro durch die Universität Stuttgart
12,125 Millionen Euro durch das Land Baden-Württemberg
Kunst am Bau
Christoph Poetsch, Heidelberg