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Universität Tübingen

Tübingen - Neubau Geo- & Umweltforschungszentrum

Anlass für den Neubau

Die Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Universität Tübingen waren bisher im sogenannten Talcampus nahe der Tübinger Altstadt auf viele Standorte verstreut untergebracht. Durch die hohe Komplexität der Forschungsthemen in der Naturwissenschaft wird die interdisziplinäre Vernetzung der Disziplinen immer wichtiger. Wegen der verstreuten Unterbringung war die Interaktion untereinander und mit den mathematisch-naturwissenschaftlichen Instituten nur eingeschränkt möglich.

Die Universität Tübingen verfolgt seit Jahren den Plan, die Naturwissenschaften auf dem Campus der Morgenstelle zu konzentrieren. Der 2008 entwickelte Masterplan „Campus der Zukunft“ gab die Linie vor, wie die dort in den 1960er-Jahren entstandene Wissenschaftsstadt Richtung Süden um mehrere Institutsgebäude erweitert werden kann. Neben der Förderung des fachübergreifenden Austauschs werden mit der Konzentration auch wertvolle Synergieeffekte ermöglicht durch die gemeinsame Nutzung von Hörsälen und Speziallaboren, die so nur an einem Standort vorgehalten werden müssen.

Universität Tübingen, Neubau Geo- und Umweltforschungszentrum, Foyer

Städtebau und Entwurfsansatz

Nach dem Konzept des Masterplans ist der Neubau für das Geo- und Umweltforschungszentrum (GUZ) ein Baustein der Erweiterung auf der Morgenstelle. Der langgestreckte Baukörper steht mit seiner schmalen Seite am neu entstandenen Campusplatz und bildet dessen Abschluss im Süden. Während die Nordfassade mit ihren vier Geschossen eine klare Raumkante am Campusplatz bildet, präsentiert sich das Gebäude in Richtung Süden durch die geschickte Ausnutzung des abfallenden Geländes als sechsgeschossiger Baukörper.

Die Fassadengestaltung interpretiert die äußere Gestalt der Bestandsgebäude aus den 1960er-Jahren auf moderne Art und Weise: die auf allen Ebenen umlaufenden 2,30 Meter breiten Gitterroste erzeugen in Kombination mit den an der Vorderkante der Gitterroste angebrachten Sichtbeton-Brüstungselementen eine starke Tiefenwirkung. Diese wird durch die tiefen Sichtbetonscheiben der nach außen verlagerten Tragkonstruktion zusätzlich betont. Lediglich beim Haupteingang auf der Nordseite wird diese Form der plastischen Gestaltung unterbrochen. Hier wurde die Glasfassade über zwei Geschosse bündig an die Vorderkante der vorgelagerten Fassaden-Konstruktion geschoben. Die Idee der Plastizität taucht an den Gebäudeecken wieder auf: negative, das heißt nach innen eingezogene Betonwinkel fassen die zweigeschossige Verglasung und schaffen überdachte Bereiche für den Campusplatz.

Universität Tübingen, Neubau Geo- und Umweltforschungszentrum, Fassadenausschnitt

Gebäudekonzeption

Im Inneren weist der Neubau eine stringente Gliederung auf. Richtung Campusplatz befindet sich der stark frequentierte Bereich der Lehrräume. Ihnen vorgelagert ist ein dreigeschossiges Foyer, das auf der mittleren Ebene im Eingangsbereich zusätzliche Kommunikationsbereiche mit ausreichend Platz zum gemeinsamen Lernen und zum Austausch bietet. Über eine plastisch ausgebildete Wendeltreppe sind die Lehrräume in den beiden anderen Geschossen auf kurzem Wege erreichbar.

Auf der West- und der Südseite erstrecken sich die Bürospangen. Auf der Ostseite liegen die hochinstallierten Laborbereiche unterteilt in eine Großraumlaborlandschaft und in einen Bereich mit Sonderlaboren, die die große Heterogenität der Geologen abbilden. Dies bietet einerseits eine gute Raumstruktur für die interdisziplinäre Arbeitsweise und eine hohe Flexibilität in den dynamischen Entwicklungen und Prozessen der Forschung, andererseits wurden die Installationswege und die Flächen zur künstlichen Be- und Entlüftung optimiert.

Universität Tübingen, Neubau Geo- und Umweltforschungszentrum, Labor

Zwei Innenhöfe stellen sicher, dass die meisten Räume natürlich belichtet und belüftet werden können. Die Mittelzone des Gebäudes zwischen den beiden Innenhöfen ist mit offenen Teeküchen und Sitzgruppen attraktiv gestaltet, um den gewünschten Austausch zwischen den Studierenden, Forschenden und Beschäftigten zu fördern.

Die Anordnung der einzelnen Nutzungen auf den Geschossen erfolgte nach dem Prinzip „von grob nach fein“. So befinden sich auf der untersten Ebene die Werkstätten der Gesteinsaufbereitung, in der obersten Ebene die Reinräume.

Nachhaltigkeit

Die Gebäudehülle des Neubaus erfüllt dank der hochwertigen Wärmedämmung und der Dreifach-Wärmeschutzverglasung Passivhausqualität. Die Verschattungswirkung der plastischen Fassade ohne zusätzlichen wartungsintensiven, beweglichen Sonnenschutz und die überwiegend natürlich belüfteten Räume ermöglichten den weitgehenden Verzicht auf energieintensive Kühlungstechnik. Die in den Laboren und Hörsälen erforderlichen Lüftungsanlagen wurden mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet. Das landeseigene Fernheizkraftwerk, das überwiegend mit dem erneuerbaren Energieträger Holzhackschnitzel betrieben wird, versorgt den Neubau mit Wärme. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach rundet das Energiekonzept ab. Damit werden jedes Jahr rund 75 Megawattstunden klimafreundlichen Strom, der vorrangig für das Gebäude genutzt wird.

Bauherr

Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Tübingen

Nutzer

Universität Tübingen

Projektleitung

Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Tübingen

Planung (Leistungsphasen 2 bis 5)

KAAN Architecten, Rotterdam

Planung (Leistungsphasen 5 bis 8)

Höhler+Partner Aachen

Gesamtbaukosten

83,225 Mio. Euro

Bauzeit

09/2015–02/2020

Dokumentationen

YouTube-Film zum Städtebau

YouTube-Film über den Neubau

Auszeichnungen

Hugo-Häring Auszeichnung (BDA 2023)